Vom akademischen Elfenbeinturm zum Studium Generale
Die Frage, welche Aufgaben und Funktionen Hochschulen und das an ihnen beschäftigte Personal zu erfüllen haben, wird nicht allein an den Orten der wissenschaftlichen Praxis oder auf den ministeriellen Ebenen entschieden, sondern auch in der Öffentlichkeit. Das gilt nicht erst seit dem 20. Jahrhundert. Die Rolle der Universitäten war in unterschiedlichem Maße seit ihrem historischen Ursprung von ihrem Verhältnis zur Öffentlichkeit geprägt. Da die Öffentlichkeit an der Definition und Abgrenzung dessen, was und was nicht als Wissenschaft gelten durfte, immer schon mitbeteiligt war und der Wissenschaft dadurch gesellschaftliche Anerkennung verschaffte oder vorenthielt, haben sich beide Bereiche in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander entwickelt. Auch wenn das, was heute in demokratischen Gesellschaften als Öffentlichkeit bezeichnet wird, sich erst im bürgerlichen Zeitalter herausgebildet hat, ist die Produktion von Wissen von Beginn an durch ihren jeweiligen gesellschaftlichen Kontext geprägt worden, in dem ihre Praxis eingebettet war. Die Betrachtung der Beziehung von Universität beziehungsweise Wissenschaft und Öffentlichkeit erlaubt daher auch Einblicke in die Gesellschaft der entsprechenden Epoche. Funktionen und Aufgaben der Hochschulen spiegeln sich auch aus diesem Grund in Bereichen wie Religion, Politik oder Wirtschaft wider.
Der Workshop bietet die Gelegenheit, das Verhältnis zwischen Universität und Öffentlichkeit von den Humboldtschen Bildungsreformen bis in die gegenwärtige Moderne zu untersuchen. Es geht darum, die vielfältigen Verbindungen zwischen den (lehrenden, lernenden oder verwaltenden) Akteuren des akademischen Felds und denjenigen des öffentlichen Felds im europäischen Raum zu reflektieren. Eine zentrale Fragestellung für diese Tagung ist die Autonomie des akademischen Feldes, seiner Herausbildung und seiner möglichen Beschränkung gegenüber der Öffentlichkeit, in einer Periode, die durch die Ausdehnung der universitären Institutionen gekennzeichnet ist. Diese Ausdehnung spiegelt sich unter anderem in der Gründung von neuen Disziplinen wider, die mit der Professionalisierung und der Spezialisierung der wissenschaftlichen und intellektuellen Berufe zusammenhängt.
Der internationale Workshop wird gefördert vom Forschungsverbund Universitätsgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Der Workshop und der öffentliche Abendvortrag mit anschließender Diskussion stehen allen Interessierten offen.
Donnerstag, 8. November 2018
14.00 - 14.15 Uhr: Dr. Martin Göllnitz (Mainz)
Einführung und Begrüßung
Panel I: Die Universität aus der Akteursperspektive
14.15 - 14.35 Uhr: Thomas Fuchs (Bonn)
Universität und Öffentlichkeit. Die Bonner Professorenschaft im öffentlichen Raum
14.35 - 14.55 Uhr: Dr. Ulf Morgenstern (Hamburg/Friedrichsruh)
"Mein letzter Artikel hat ziemlich viel Aufsehen gemacht." Carl Heinrich Becker als öffentlicher Intellektueller zwischen Kolonialexpansion und Bildungsreform 1900-1930
14.55 - 15.15 Uhr: Andreas Huber (Wien)
Berufungen und Habilitationen im Spiegel der österreichischen Presse 1918-1938
15.15 - 15.35 Uhr: Karen Bruhn (Kiel)
Der Geistig Schaffende - Professoren als Multiplikatoren von Ideologie und Wissen in der NS-Zeit
15.35 - 16.00 Uhr: Diskussion
16.00 - 16.30 Uhr: Pause
Panel II: Der universitäre (Fächer-)Wandel zur Jahrhundertwende
16.30 - 16.50 Uhr: Lisa Kragh (Kiel)
Das große Unbehagen - Fortschrittspessimismus im naturwissenschaftlichen Funktionsdiskurs um 1900
16.50 - 17.10 Uhr: Tommy Stöckel (Berlin)
"Le nom même de la sociologie n'était point fort en honneur..." - Die akademische Soziologie in Frankreich und ihr Kampf um Autonomie um 1900
17.10 - 17.30 Uhr: Anton Guhl (Karlsruhe)
Zwischen Universitätslandschaft und Hochschulraum um 1900 - Anmerkungen zur Geschichtsschreibung über Technische Hochschulen und Universitäten
17.30 - 17.50: Diskussion
17.50 - 18.15 Uhr: Pause
18.15 - 19.45 Uhr: Öffentlicher Abendvortrag von Prof. Dr. Manfred Heinemann (Hannover)
Auferstanden aus Ruinen: Studium und Studium Generale in der Reorientierung der Hochschulen in der Nachkriegszeit
Panel III: Hochschulreformen im 19. und 20. Jahrhundert
9.00 - 9.20 Uhr: Andreas Neumann (Jena)
Öffentliche Interventionen von Professoren im Diskursfeld zur akademischen Frauenbildungsfrage im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
9.20 - 9.40 Uhr: Kim Krämer (Mainz)
Demokratisierung durch Hochschulreform? Die (disparate) Etablierung des Studium generale an deutschen Universitäten
9.40 - 10.00 Uhr: Catrin Dingler und Elena Tertel (beide Wuppertal)
Studium Generale in der BRD nach 1945
10.00 - 10.20 Uhr: Diskussion
10.20 - 10.40 Uhr: Pause
Panel IV: Neue Herausforderungen nach 1945
10.40 - 11.00 Uhr: Dr. Elisabeth Westphal (Wien)
Hochschulpolitische Entwicklungen in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
11.00 - 11.20 Uhr: Caroline Weber (Kiel)
Öffentliches Image und wissenschaftliches Profil. Die Universität Kiel zwischen Skandinavien und dem Ostseeraum (1945-2000)
11.20 - 11.40 Uhr: Diana Morgenroth (Hamburg)
Der Einfluss der Industrie auf das Studium der Elektrotechnik an den Technischen Hochschulen in der Bundesrepublik
11.40 - 12.00 Uhr: Diskussion
12.00 - 12.15 Uhr: Pause
Panel V: Neue (Aufgaben-)Felder der Universität
12.15 - 12.35 Uhr: Dr. Christian George (Mainz)
Universitätsarchive als Vermittler zwischen Hochschule und Öffentlichkeit
12.35 - 12.55 Uhr: Dr. Andreas Hütig (Mainz)
Raus aus dem Elfenbeinturm - aber wie und wohin? Paradigmen und Effekte der Wissenschaftskommunikation
13.00 - 13.20 Uhr: Diskussion
Kontakt
Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte
Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz
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