Universitäten und Hochschulen zwischen Beharrung und Reform
Universitäten gehören zu den ältesten Einrichtungen organisierter Wissensvermittlung auf der Welt. Seit ihrer Entstehung im Hochmittelalter waren sie nicht allein der Erzeugung wissenschaftlichen Wissens verpflichtet, sondern auch der Weitergabe des Wissens und seiner internen wie öffentlichen Diskussion. Auch wissenschaftlich Lehrende und Studierende gab es als Statusgruppen von Beginn an; sie konstituierten die Universität, unterschieden sie in allen Jahrhunderten von Schulen und Akademien.
Nur wenige andere Themen eignen sich so sehr wie Universitäten und Hochschulen zu einer die Epochen bis zur Zeitgeschichte umgreifenden und zugleich globalgeschichtlich interessierten bildungshistorischen Forschung. Aus Sicht der Bildungsgeschichte stehen dabei Fragen im Mittelpunkt, welche Lehren und Lernen, Erziehung, Bildung und Sozialisation, Geschlechter- und Generationenverhältnisse, aber auch Fragen nach der Produktion pädagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Wissens betreffen. Die bildungshistorische Erforschung des Hochschulbereichs eröffnet zudem sämtliche theoretischen Zugänge: Ideen-, Theorie- und Diskursgeschichte ebenso wie Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte.
Mit den Universitäten erhielten die Wissenschaften einen mit bestimmten Regeln, aber auch mit Privilegien ausgestatteten Ort. Welches Wissenschaftsideal an ihnen vertreten wurde, war epochenabhängig und bestimmte auch die Formen des Lehrens und Lernens: Wiederund Weitergabe als gesichert angenommenen Wissens oder Demonstration von und Teilhabe an Forschung, als theoretisch und methodisch abgesicherte Suche nach neuer Erkenntnis. Vorlesungen (erst auf der Straße, in angemieteten Räumen oder im Wohnhaus des Professors, später im universitätseigenen Hörsaal), Seminare, Übungen und zuletzt Tutorien und studentische AGs spiegeln eine Entwicklung, in der Studierende zunehmend aktiv an universitärer Lehre teilnehmen konnten, ohne dass die älteste Form der universitären Wissensvermittlung, die Vorlesung, verschwunden wäre. Im Gegenteil: Im digitalen Zeitalter und in Zeiten von Bachelor und Master mit kleinschrittigen Prüfungen hat sie als konzentrierte Wissensvermittlung wieder Konjunktur. Universitäten waren und sind als Organisationen und Institutionen so erfolgreich, dass es sie heute weltweit gibt, oft, aber nicht immer, nach europäischem oder US-amerikanischem Vorbild. Die Universität war aber schon im 19. Jahrhundert nicht die einzige Hochschulform. In wachsendem Maß kamen Spezialhochschulen dazu, welche auf bestimmte Berufe und Tätigkeitsfelder auf hohem Niveau vorbereiteten und später in Universitäten umgewandelt wurden. Universitäten und Hochschulen vermitteln nicht nur durch die Lehre direkt oder indirekt Handlungsorientierungen und Sichtweisen auf die Welt. Sie sind auch Teil des akademischen Sozialisationsprozesses ihrer Mitglieder.
In globalhistorischer Orientierung und alle Epochen vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte adressierend sollen auf der Sektionstagung Universitäten und Hochschulen als Orte bildungshistorisch zur Sprache kommen, in denen sich einerseits gesellschaftliche Entwicklungen spiegelten, die aber andererseits auch selbst zu Motoren und Katalysatoren wurden, manchmal aber auch zur Beharrung neigten, abseits gesellschaftlicher Dynamiken. Universitäten und Hochschulen sollen somit unter der Perspektive von Beharrung und Reform bildungshistorisch erörtert werden. Der Fokus ist somit nicht epochal oder regional/national begrenzt. Vielmehr sollen Lehren und Lernen, Debatten über wissenschaftliche Bildung, Fra-gen akademischer Sozialisation usw. zu unterschiedlichen historischen Zeiten und in unterschiedlichen Regionen, Staaten und Kontinenten in ihrer Eigenständigkeit oder Abhängigkeit von gesellschaftlichen Entwicklungen, auch in ihren Beiträgen zu gesellschaftlichem Wandel, analysiert werden.
Das Themenspektrum ist groß: Es reicht von Fragen wissenschaftlicher Lehrmaterialien, der Lehrformen, des Verhältnisses zwischen Lehrenden und Lernenden inklusive deren Konflikten über studentische Organisationen und Lebensformen, Diskussionen über das Zusammenleben an den Hochschulen, Idealbilder des Professors und der Professorin als Verbindung von Forschung und Lehre bis zu Fragen von (wissenschaftlicher) Männlichkeit und Weiblichkeit und darüber hinaus.
Konferenzsprachen sind deutsch und englisch. Es können Vorschläge für Beiträge (Abstracts mit bis zu 3.000 Zeichen) bis zum 30. April 2021 eingereicht werden per E-Mail bei Prof. Dr. Carola Groppe, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
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