Die Medizinische Fakultät Freiburg 1945 - ca. 1970. Entwicklungslinien und Protagonisten
M.A. Nadine Kopp
(Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Historisches Seminar)
DFG-Projekt "Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Die Universität Freiburg, ihre Mediziner und Geisteswissenschaftler (ca. 1945 - 1970)", Teilprojekt C (bei Prof. Dr. Sylvia Paletschek und PD Dr. med. Cay-Rüdiger Prüll)
Veröffentlichung: Dezember 2012
Teilprojekt C beschäftigt sich mit der Entwicklung der Medizinischen Fakultät Freiburg in der Zeit zwischen 1945 und 1970. Im Fokus der Untersuchung steht dabei das Spannungsverhältnis zwischen Medizinischer Fakultät und öffentlichem Raum, der wiederum die regionale Öffentlichkeit, repräsentiert durch die Stadt Freiburg und die nähere Umgebung, die universitäre Öffentlichkeit der Albert-Ludwigs-Universität sowie die Öffentlichkeit der westdeutschen Universitäten insgesamt umfasst. Dabei sollen insbesondere die Fragen nach dem Selbstverständnis der Medizinischen Fakultät, der Vermittlung dieses Selbstbildes in Medien und Öffentlichkeit und nach der Interaktion zwischen Medizinischer Fakultät und der jeweiligen Öffentlichkeit nachgegangen werden.
Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die unmittelbare Nachkriegszeit, die primär von dem Bemühen um eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geprägt war: Die zerstörten Institute und Kliniken mussten wiederaufgebaut, Forschung und Lehre fortgeführt und an die internationale Entwicklung angepasst werden. Außerdem musste die Versorgung der Freiburger Bevölkerung durch medizinisch ausgebildetes Personal gesichert und die Ausrichtung der Freiburger Universitätsmedizin an der NS-Ideologie überwunden werden. Die Frage, wie die Medizinische Fakultät mit diesen materiellen, personellen und ideellen Herausforderungen umging, wird auf Grundlage von Fakultäts- und Senatsakten untersucht; da insbesondere einzelne Hochschulmediziner den Wiederaufbau durch großes persönliches Engagement voranbrachten, stellen die Lebensberichte und Personalakten einzelner Universitätsmediziner eine weitere vielversprechende Quellengruppe dar. Inwiefern die in diesen Quellen geäußerten Sichtweisen den Vertretern der Stadt, ihren Bewohnern und den Studierenden vermittelt wurden, wird anhand von Akten über die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Fakultät bzw. Universität, der Bauakten, der ab 1946 wöchentlich erscheinenden BZ, den ab 1947 gehaltenen Dies-Vorträgen und den ab 1948 ausgestrahlten Aula-Sendungen im SWF untersucht.
Im Zentrum der Untersuchung der 1950er Jahre steht das Bedürfnis der Universität, sich in der Mitte der Gesellschaft zu verorten. Wie die Medizinische Fakultät dies umzusetzen versuchte, wird anhand öffentlicher Reden im Dies und in der Aula sowie auf Grundlage der Berichterstattung in der BZ untersucht; da sich mit dem 500-jährigen Universitätsjubiläum eine außergewöhnliche Möglichkeit zur Selbstdarstellung bot, wird insbesondere den Fragen nachgegangen, auf welche Art und Weise sich die Medizinische Fakultät in den Medien und in der Öffentlichkeit präsentierte, wie viel Öffentlichkeit dadurch hergestellt wurde, und ob das damit verbundene Ziel, sich in der Mitte der Gesellschaft zu verorten, erreicht wurde. Diese Fragen lassen sich anhand der Rektorats-, Senats- und Fakultätsakten der gesamten 1950er Jahre klären, da sie Informationen zu Planung, Organisation, Durchführung und Evaluation der einzelnen Veranstaltungen enthalten.
Wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Medizinischer Fakultät, Wissenschaft und Öffentlichkeit nach der Wiederaufbau- und Konsolidierungsphase veränderte, wird mit einer Untersuchung der 1950er und der 1960er Jahre nachgegangen. Dabei stehen die folgenden Aspekte im Mittelpunkt: Erstens wird die Rolle der Studentenbewegung untersucht, die Aufklärung über die Freiburger Universitätsmedizin während des Nationalsozialismus forderte, zweitens werden medizinische Innovationen, wie zum Beispiel Impfmöglichkeiten, die Herz-Lungen-Maschine und die Organtransplantation beleuchtet, die insbesondere zu Veränderungen im Arzt-Patienten-Verhältnis führten; drittens wird dem Hereindrängen ethischer Fragen Rechnung getragen, die die Diskussion um Anwendung und Risiken neuer Therapiemöglichkeiten erweiterten; viertens wird der Medizinerausbildung in Deutschland nachgegangen, die aufgrund ihrer Praxisferne in die Kritik geraten war. Neben den Fragen, wie die Interaktion zwischen Medizinischer Fakultät und öffentlichem Raum ablief, welche Konsequenzen dies hatte, wird auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen eingegangen. Damit leistet die Untersuchung sowohl einen Beitrag zur Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität nach 1945 als auch zur Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
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